Prof. Dr. med.
Gerhard Volkheimer

Gerhard Volkheimer machte sich an der Humboldt-Universität zu Berlin über einen Zeitraum von knapp zwanzig Jahren (1948–1967) um die gastroenterologische Forschung verdient. Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit Gerhard Volkheimers stand der Dünndarm; mit seinem Team forschte er an der Medizinischen Fakultät der Charité zur Persorption.
Parallel zu seiner Arbeit als Wissenschaftler praktizierte Volkheimer als Gastroenterologe mit eigener Praxis am Bayerischen Platz in Berlin. Diese Konstellation war sehr ungewöhnlich, da Volkheimer in Ostberlin forschte und lehrte, gleichzeitig jedoch in Westberlin lebte und praktizierte. Nachdem er 1967 aus politischen Gründen die Charité verlassen musste [1]1Volkheimer, Gerhard: Ich war der letzte oder vorletzte West-Berliner an der Charité. In: Stein, Rosemarie: Die Charité: 1945 - 1992; ein Mythos von innen, S. 43 ff. Argon-Verlag, Berlin 1992., wurde Gerhard Volkheimer 1969 an der Freien Universität Berlin (FU) umhabilitiert. Seine Forschung zur Persorption konnte er allerdings nicht fortsetzen, da ihm die Infrastruktur der Charité – Labore, Ausstattung, Mitarbeiterteams, Doktoranden – nicht mehr zur Verfügung stand.
Neben der experimentellen Forschung war Gerhard Volkheimer stets auch die Vermittlung von Wissen und Methodik ein großes Anliegen. So betreute er an der Charité zahlreiche Doktoranden und war wegen seiner didaktischen und organisatorischen Fähigkeiten beliebt und geachtet.
Darüber hinaus entwickelte er die gastroenterologische Funktionsdiagnostik weiter, die starre und flexible Endoskopie und die Röntgendiagnostik des Verdauungskanals. Unter anderem schaffte er für seine Praxis ein Orbiskop an, das in Zusammenarbeit mit Siemens entwickelt worden war – seinerzeit das modernste Röntgengerät. [2]2Volkheimer, Gerhard: Gastroenterologie für die Praxis. Lehmann, München 1975. (siehe http://d-nb.info/750265477 1993 beendete Gerhard Volkheimer seine Praxistätigkeit als Gastroenterologe.
Lebenslauf
* 11. Juli 1921 in Kempten im Allgäu
† 6. Januar 2021
Forschungsschwerpunkt
Persorption
Der Vorgang der Persorption wurde von Gerhard Volkheimer und seinem Team von Mitarbeitern tierexperimentell und auch am Menschen bewiesen.[4]4Volkheimer, Gerhard: Durchlässigkeit der Darmschleimhaut für großkorpuskuläre Elemente. Berlin, Humboldt-Universität, Med. Fak., Habil.schr. v. 31. Jan. 1962. Siehe http://d-nb.info/481107614/
Aufmerksam wurde er durch frühe Arbeiten von Gustav Herbst (1844) und Rahel Hirsch (1905) [5]5Dokumentation „Ärztinnen im Kaiserreich“: Eintrag „Rahel Hirsch“. Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin. https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00127, 02.07.2018.[6]6Ben Zev, Hedvah: Preußens erste Medizinprofessorin. In: Jüdische Miniaturen, Band 24, S. 56/57.. Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Berlin 2005., die im Blut und im Urin von stärkegefütterten Tieren ungelöste Partikel im Mikrometerbereich gefunden hatten, deren Aufnahme jedoch über die bis dahin bekannten Resorptionsmechanismen [7]7In anderen Sprachen wird statt des Begriffes „Resorption“ der Terminus „Absorption“ verwendet. wie Diffusion, enzymatischer Abbau oder Mikropinozytose nicht geklärt werden konnte.
Im Rahmen der tierexperimentellen Forschung und in Selbstversuchen entdeckte Volkheimer nun den Einschließungsmechanismus großkorpuskulärer Partikel, den er „Persorption“ nannte.
Mit dem Nachweis der Persorption hat Gerhard Volkheimer „das Rädchen der Medizin ein bisschen weitergedreht“.
Die Persorption ist auch für heutige Untersuchungen in der Meeresbiologie und den Umweltwissenschaften relevant, unter anderem im Zusammenhang mit industriellen Stäuben, Plastikmüll in den Weltmeeren, deren Aufnahme durch Mensch und Tier und die damit verbundenen Auswirkungen. Volkheimers Arbeiten sind von gesundheitspolitischer Bedeutung und haben wohl auch die Sicherheit an industriellen Arbeitsplätzen positiv beeinflusst.